Mit besinnlichen Worten äußern sich Winfried Kretschmann und Robert Habeck in einem Gastbeitrag auf Spiegel.de zur EU-Agrarreform. Die beiden Spitzenpolitiker von Bündnis90/ Die Grünen sparen an Kritik und setzen im anstehenden Superwahlkampfjahr 2021 anstelle dessen auf „Allianz“.
Der Veröffentlichungstermin für den Artikel von Winfried Kretschmann und Robert Habeck kommt nicht ungefähr. Es ist der 16. Januar, der Tag, an dem die Delegierten des CDU-Parteitags Armin Laschet zum Parteivorsitzenden wählen und die Teilnehmer der Demonstration „Wir haben es satt“ vorm Kanzleramt gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestieren.
Bereits in den einleitenden Worten begrüßen die beiden Politiker die EU-Agrarreform als Chance, denn sie bietet die Gelegenheit: „Landwirtschaft und Umweltschutz zu versöhnen – wenn wir faire Preise, gesunde Nahrungsmittel und die Rücksicht auf Klima- und Artenschutz zu gemeinsamen Zielen machen.“
Nun wird der Begriff „Chance“ oftmals mit dem Wort „Krise“ kombiniert. Aber ausgerechnet den Terminus „Krise“ sparen die Spitzenpolitiker in ihrem Beitrag aus. Verständlich, denn an Krisen mangelt es derzeit jedenfalls nicht. Anstelle dessen verweisen sie auf die Folgen der gegenwärtigen Agrarpolitik, in dem sie durchaus krisenhafte Beschreibungen anlässlich des „Höfesterbens“ oder des „Artensterbens“ anführen. Die Nachrichtenlage ist in dieser Hinsicht eindeutig, begünstigt und beschleunigt doch die gegenwärtige Agrarpolitik nicht nur diese Entwicklungen.
Augen auf bei der Wortwahl
Homöophatisch formuliert, äußern die beiden Politiker indes allerdings, dass ihrer Meinung nach nun der Moment gekommen sei, dieses „Kampffeld zu verlassen und stattdessen eine starke Allianz zu schmieden: Produzierende Landwirtinnen und Landwirte streiten Seit an Seit mit Umwelt-, Tier- und Klimaschützerinnen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die die gesellschaftlichen Gemeingüter pflegt und schützt. Ein Bündnis, das Bäuerinnen und Bauern gegenüber dem Handel den Rücken stärkt und das für faire Preise eintritt.“
Im Gegensatz zu Habeck und Kretschmann formuliert die Klimaaktivisten Greta Thunberg sowie die Mitwirkenden von Fridays For Future ihr Anliegen ungleich weniger romantisch. Bereits im Mai vergangen Jahres veröffentlichten die Jugendlichen einen Brandbrief, in dem sie die Eckpunkte der geplanten EU-Agrarreform als keineswegs ausreichend kritisieren, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen einzuhalten.
Mit der nun vorgegebenen Marschvorgabe das „Kampffeld zu verlassen“, hätten Kretschmann und Habeck anstelle der von ihnen in diesem Zusammenhang angeführten Zielvorgabe „starke Allianz“ auch gleich die Formulierung „starke Koalition“ verwenden können. Das klingt ganz anders als „große Koalition“ und dürfte der sogenannten politische „Mitte“ im Superwahlkampfjahr die Angst vor allzu großen Veränderungen nehmen…
Titelbild: Winfried Kretschmann & Robert Habeck – Bild: Kretschmann/ Staatsministerium Baden-Württemberg – Habeck /Nadine Stegemann
Text: Manfred Tari