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Forschungsobjekt: Die EU-Subventionspolitik für Landwirtschaft

Die EU lässt sich die Förderung der Landwirtschaft einiges kosten. Aber irgendwie läuft da was falsch. Zumindest nach Ansicht und Analyse eines Forscherkonsortiums der Universitäten Utrecht in den Niederlanden sowie in Lund in Schweden.

Unter Führung des Geografen und Nachhaltigkeitsforschers Murray Scown vom Kopernikus-Institut für nachhaltige Entwicklung bei der Uni Utrecht untersuchten die beteiligten Wissenschaftler die Verteilung und Förderkriterien sowie die damit verbundenen Auswirkungen der EU-Agrarsubventionen.

Vereinfacht ausgedrückt ließe sich behaupten, dass eine zentrale Schlussfolgerungen der Studie der allgemeinen Annahme entspricht, dass die Politik der vergangenen Jahrzehnte vornehmlich dazu diente, die Reichen ein bisschen reicher, die Armen ein bisschen ärmer zu machen. Eine solche Pauschalisierung wird dem Forschungsbericht allerdings nicht gerecht, denn die Wissenschaftler berücksichtigten in ihrer Arbeit zahlreiche weitere Faktoren wie des Umwelt- und Klimaschutzes, soziale und wirtschaftliche Komponenten bis hin zur Umsetzung politisch gesetzter Ziele hinsichtlich von Ernährungs- und Gesundheitsstandards.

Die eigentliche Analyse der Wissenschaftler bezieht sich auf die Mittelverteilung und -verwendung der EU-Agrarsubventionen, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2015. Danach kommen laut Scown gerademal 20 Prozent der Landwirte 80 Prozent des Förderetats in Höhe von durchschnittlich jährlich 54 Milliarden Euro zugute. Inwieweit diese Zahlungen politische Ziele unterstützen, wird zudem seiner Meinung nach aufgrund „mangelnder Transparenz, komplexer Berichterstattung und unzureichender Überwachung nur unzureichend verstanden“.

„Getting paid to pollute: Billions of EU farming subsidies are being misspent“
In der Pressemitteilung zur Studie wird zudem Kimberly Nicholas, Mitverfasserin der Studie und leitende Dozentin am Lund University Centre for Sustainability Studies (LUCSUS) in Schweden, zitiert: „Unsere Analyse zeigt, dass in den reichsten Regionen mindestens 24 Milliarden Euro pro Jahr in die Einkommensunterstützung fließen, während die ärmsten Regionen mit den meisten landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen weiter zurückbleiben“. Dieses ‚falsch‘ ausgegebene Geld würde mehr als die 20 Milliarden Euro pro Jahr abdecken, die zur Erfüllung der Biodiversitätsstrategie der EU benötigt werden.

„Wir zeigen schwarz auf weiß, dass die laufenden Ausgaben die Einkommensungleichheit unter den Landwirten eher verschärfen als verringern, und dass Zahlungen, die die ländliche Entwicklung unterstützen sollen, in städtische Gebiete wie London fließen. Mit den laufenden Zahlungen werden in erster Linie die landwirtschaftlichen Regionen unterstützt, die die größte Klimabelastung verursachen, mit der am wenigsten biodiversitätsfreundlichen Landwirtschaft und den wenigsten Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft“, äußert Mark Brady, der dritte Mitautor der Studie, einem Wirtschaftswissenschaftler an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften der Universität Lund.

GAP – Nicht zu verwechseln mit der Jeans
Grundlage für den EU-Masterplan der Agrarsubventionen bildet die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), im europäischen Politikbetrieb gemeinhin auch als „Common Agricultural Policy“ (CAP) bezeichnet. Das besagte Förderinstrument gehört mit zu den ersten gemeinsam auf europäischer Ebene vereinbarten politischen Initiativen und wurde formell bereits 1962 von den seinerzeitigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, dem Vorläufer der jetzigen EU, umgesetzt.

Traditionell ist der Etatansatz für Agrarsubventionen seit jeher der größte Einzelposten im EU-Haushalt. Dieser beläuft sich für das laufende Jahr auf 153,75 Milliarden Euro, der zur Förderung der Landwirtschaft beträgt 57,9 Milliarden Euro.

Es grünt so grün…
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Agenda der EU-Kommission des so genannten „New Green Deal“ und dem damit korrespondierenden Programm „Vom Hof auf den Tisch“ (From Farm to Fork) kommt der Studie von Scown, Brady und Nicholas lediglich pro forma eine gewisse Bedeutung vor. Erst unlängst haben sich die EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen des EU-Gipfels Ende Juni auf einen von der EU-Kommission vorgelegten Haushaltsentwurf (2021-2027) verständigt. Noch allerdings steht die Zustimmung durch das EU-Parlament aus.

Ob der anstehenden und intensiv diskutierten GAP-Reform erhoffen sich die Wissenschaftler ihre Studie samt der angeführten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen immerhin zum richtigen Zeitpunkt vorgelegt zu haben. Noch, so heißt es in der Presseerklärung, besteht die Möglichkeit Mittel umzuwidmen, „um die massiven sozialen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen, die in den bestehenden politischen Zielen hervorgehoben werden, sowie ein nachhaltigeres Ernährungssystem und lebendige ländliche Gesellschaften zu schaffen.“

Zusammenfassend äußert Kimberly Nicholas dazu, dass derzeit noch bevorzugt: „die landwirtschaftlichen Regionen mit den höchsten Treibhausgasemissionen aus der intensiven Viehzucht für die Umweltverschmutzung bezahlt werden.“ Betriebliche Zahlungen sollten jedoch bedürfnis- und ergebnisorientiert sein, um soziale und ökologische Vorteile zu gewährleisten. Die EU sei verpflichtet, die Berichterstattung über die GAP-Ausgabendaten zu harmonisieren, die anhand relevanterer Indikatoren verfolgt werden, um sicherzustellen, dass die öffentlichen Ausgaben tatsächlich einen öffentlichen Nutzen bringen.

Einen umfassenden Bericht zur Studie veröffentlichten die Autoren auf dem Wissenschaftsportal One Earth, für eine Übersetzung des Textes empfiehlt sich das Übersetzungsprogramm von deepL.com. Ergänzend dazu veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Artikel mit weiteren Stellungnahmen von einheimischen Naturschützern und Wissenschaftlern…

Text: Manfred Tari
Bild: Delinale.de

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