Eigentlich hat Fermentieren gegenwärtig Konjunktur. Warum auch nicht, denn ‚homemade‘ Sauerkraut ist Superkraut. Vorurteilsfrei lässt sich sogar behaupten, die Fermentation von Lebensmitteln ist im übertragenen Sinne die Urküche der Molekularküche. So gesehen also eine halbwegs moderne Angelegenheit.
Demnach gibt auch der Fernsehkoch Timo Böckle aus Böblingen in der ersten Folge der neuen „On Demand“-Serie „Koch ein!“ vom SWR ein entsprechendes Video-Tutorial zur Herstellung von „Fermentierten Rotkohl Asia Style“ zum Besten.
Allerdings erklärt Böckle gleich zu Beginn des Videos mit dem robusten Charme eines gestandenen Küchenchefs: „Wir sagen eigentlich nicht fermentieren, wir sagen einsalzen!“ Die Erklärung, wen er mit „wir“ meint, bleibt der Koch jedoch schuldig. Anstelle dessen erläutert er ganz allgemein, das Fermentieren sei seiner Ansicht nach nicht ‚jedermanns Sache‘. Obgleich seine Co-Moderatorin Lea Wagner erwidert, sie habe das ganz anders in Erinnerung, bleibt Böckle mit Verweis auf sein Alter bei seiner Meinung. Die Sache mit dem „Wir-Gefühl“ wird in diesen Zeiten bekanntermaßen ohnehin oftmals sehr individuell ausgelebt.
Auch wenn es sich bei dem Wortwechsel um eine Nebensächlichkeit handelt, keimt der Verdacht, dass es sich bei Timo Böckle um einen Koch alter Schule handelt. Wikipedia weiß mehr und liefert zumindest ein Indiz dafür: Böckle diente unter anderem Ende der neunziger Jahre bei der Bundeswehr als „Schichtführer des Offizierskasinos“ in der Theodor-Heuss-Kaserne in Bad Cannstatt.
Militär und Drill sollen sich dem Vernehmen nach einander bedingen. Der harte Drill in der Profiküche wurde ebenso bereits hinlänglich von dem Fernsehkoch Anthony Bourdain in seinem Bestseller „Kitchen Confidential“ beschrieben. Eine Management-Methode, die lediglich hart gesottenen Kennern dieses Metiers zur Freude gereicht. Böckle indes gibt sich vor der Kamera glücklicherweise umgänglich, obwohl er das ihm eigene Esprit eines Küchenmeisters nicht immer ganz verbergen kann.
In die Jahre gekommen
Es ist zudem allgemein auffällig, dass Fahrzeuge in Kochsendungen oftmals eine tragende Nebenrolle inne haben. Da wäre das VW-Cabriolet in „Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener“ von Arte, ein Bus in der Sendung „Landfrauenküche“ vom Bayerischen Rundfunk oder sogar ein Hausboot in dem WDR-Format „Lecker an Bord„. Immer wieder gerne genommen: Oldtimer.
Als somit bewährt wiederkehrendes stilistisches Element kommt auch bei „Koch ein!“ ein zum Wohnmobil umfunktionierter altertümlicher Reisebus der Marke Setra zum Einsatz. Ein großes Gefährt, welches zugleich als mobiler Drehort genutzt wird. Böckle kann nicht nur kochen, sondern hat auch die Qualifikation zum Fahrzeugführer, in dem er den wahrlich nicht kleinen Bus für die Pilotsendung eigenhändig vor der malerischen Kulisse eines Rotkohlfeldes gekonnt in Szene setzt.
In der Pressemeldung zur Sendung hingegen heißt es, im Internet gäbe es „eine große Community von Menschen, die sich für Food- und Nachhaltigkeitsthemen interessieren“. Nachhaltigkeit und große Reisebusse lassen sich in Bezug auf Anspruch und Wirklichkeit neuerdings nicht mehr so gut kombinieren. Dies ist aber ist vielleicht nur eine weitere Nebensächlichkeit, ebenso wie die Verwendung von Einweg-Gummihandschuhen.
Didaktisch kompakt
Der eigentliche Zweck des Videos ist die kompakte Veranschaulichung des Herstellungsverfahren für die Fermentation von Rotkohl in etwas mehr als sieben Minuten. Die wesentlichen Aspekte werden fachgerecht erläutert, die beteiligten Akteure Rotkohl, Reisebus, Lea Wagner und Timo Böckle sind gemäß der Devise „leicht verständlich“ sowie Youtube-Like aufbereitet. TikTok-tauglich ist das Format dagegen nicht.
Zuschauer:innen, die sich lediglich für das Rezept interessieren, können sich selbiges auch auf der Webseite zur SWR-Sendung Kaffee Oder Tee vorlesen lassen. Ein mediales Vergnügen der besonderen Art, in dem eine sonore Computerstimme, Zutaten und Zubereitung statisch unter Verzicht von Betonungen monoton herunterrasselt. Fazit: Ein gelungenes Beispiel für die Verquickung von redaktionellen Infotainment und fermentierten Rotkohl…
Text: Delinale.de
Bild: SWR/Philip Fricker“ (S2).