D-Dorf, eine Stadt gebeutelt wie alle anderen Städte in diesen Zeiten. Auch wenn die NRW-Landeshauptstadt immer noch viele Attraktionen für sich reklamieren kann, so verliert Düsseldorf mit der Schließung des Kikaku nun ein gastronomisches Wahrzeichen. Jenseits der Altstadt, unweit der Immermannstraße in der Klosterstraße, verabschiedet sich das Kikaku mit einem Aushang von seinen Gästen.
Modus Operandi
Laut Übersetzungsseiten steht der Name Kikaku für Begriffe wie „Norm“ oder „Standard“. Im Nachhinein wird klar, dass das Restaurant genau dies eingelöst hat.
Die Qualität über Jahrzehnte hinweg gleichbleibend hoch, die Preise gemessen an der Qualität hingegen durchaus moderat. Wer wollte, konnte es auch krachen lassen und gönnte sich eine Sushi-Sake-Sause à la Carte mit bleibenden Erinnerungswerten.
Das Kikaku jedoch stand für gastronomisches Understatement. Unprätentiös und schlicht in der Ausstattung, unaufdringlich und zugleich aufmerksam im Service. Mit etwas Glück wurde einem Sitzplätze am Tresen zugewiesen. Mit noch mehr Glück beschied einem der Sushi-Koch sogar eine Lektion in Sachen Sushi-essen.
Aus Respekt vor den Zutaten und dem Geschmack zuliebe, nur die belegte Oberseite eines Nigiri, wenn überhaupt, so wenig wie möglich mit Soja-Sauce benetzen. Gleiches gilt für Makis und alle anderen Klassiker der Sushi-Küche. Selbst die Reihenfolge gilt es zu wahren, erst einen Schluck von der Miso-Suppe. dann das Sushi, gefolgt von eingelegten Ingwer in Maßen genossen. Das Tamago-Nigiri unter Verzicht von Soja-Sauce wird zum Abschluss verspeist.
Das Kikaku, westlichen Verhältnissen angepasst, servierte allerdings nicht nur Sushi. Anders als in Japan, wo es für jede Variante der japanischen Küche in der Regel spezialisierte Restaurants gibt, gab es im Kikaku auch Yakitori oder Tempura-Gerichte.
Mehrwert Geschmacksbildung
Unvergesslich bleiben einem Gerichte wie die gesottenen Auberginen in Orangen-Miso-Sauce in guter Erinnerung. Gleichermaßen ebenso: Battera, in einem Kästchen gepresster Reis mit fermentierter Makrele, Negitoro, einem Tatar von Thunfisch mit Lauchzwiebeln. Ein besonderes Geschmackserlebnis war einem beim Erstkontakt eines kalten Sake im Zedernholz-Kästchen vergönnt. Selbst das Horenso No Goma-Ae, gekochter Spinat mit nappierter Sesam-Creme unterschied sich deutlich in der Art der Zubereitung im Vergleich zu anderen Lokalen.
Das Kikaku hatte Klasse und Stil, zelebrierte es doch irgendwie auf seine Art eine besondere Bescheidenheit. Das Team des Kikaku bewahrte selbst dann, wenn alle Tische und Plätze belegt waren, trotz offensichtlicher Betriebsamkeit eine Ruhe, die sich auch auf die Gäste übertrug. Vom Sitzplatz aus an der Bar war diese Form der Gelassenheit auch bei den Sushi-Köchen zu beobachten. Gleiches galt, wenn man von der Bar aus einen Blick in die eigentliche Küche werfen konnte.
Zu kurz kam jedenfalls keiner, selbst dann nicht, wenn es gelegentlich länger dauerte. Gesellig war es trotzdem, auch wenn man selten mit anderen Gästen ins Gespräch kam.
Einstellungssache
Das Vorrecht auf Reservierungen war lediglich Stammgästen vorbehalten. Mutmaßliche Extrawünsche wurden Nicht-Stammgästen vorenthalten, darunter zum Beispiel eine Bestellung mit der Bitte um Verzicht auf Thunfisch bei einem Sushi-Set. Was vielleicht streng anmutet, war im Kikaku eher eine Frage der Haltung.
In Sachen Sushi-Genuss oder der japanischen Küche im Allgemeinen bietet Düsseldorf dank einer statthaften Vielzahl von Lokalen und Restaurants ohnehin einen hohen Standard. Verortet in der mittleren Preiskategorie, zeichnete sich das Kikaku allerdings durch eine sehr eigene Form der Gastlichkeit aus. Ein schönes und zugleich bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal. Das überraschende Aus des Kikaku, das zudem noch einen Ableger im Düsseldorfer Flughafen betrieb, ist indes weniger schön.
Auf der Webseite des Kikaku steht: „Für Ihre lange Treue möchten wir uns auf diesem Weg vielfach bedanken.“ Es ist vielleicht nur ein schwacher Trost, aber es dürften nicht wenige Gäste sein, die den Mitarbeitern und Inhabern des Kikaku ebenso dafür dankbar sind, dass es dieses Restaurant gegeben hat.
Das Kikaku war eine gute Schule, nicht nur für Leibspeisen, sondern auch in Sachen Geschmacksbildung und Anschauungsunterricht. Ein Restaurant, das einem einen Eindruck vermittelte, was gute Gastronomie ausmacht und auszeichnet…
Text: Manfred Tari – Bilder: Luke Niederer & Mahmoud Chatah