Peter Erik Hillenbach aka „Perik“, Ex-Bochumer mit kanadischem Herkunftsnachweis, von Berufs wegen Chefredakteur des GW Verlags für die Branchenblätter Gastrotel, Superior Hotel und Trendkompass, drei bundesweit erscheinende Fachmagazine für Gastronomie, Hotellerie und Großküchentechnik. Erste journalistische Sporen erarbeitete er sich als Musikredakteur für das Stadtmagazin Marabo, gefolgt von einer Laufbahn als Restauranttester für gastronomische Publikumszeitschriften wie „‚Stadtname‘ Geht Aus“. Kurzum, ein Lebemann mit kulinarisch-gastronomischem Fachwissen und angeschlossenem Schrebergarten. Ein valider Interviewpartner in einer Zeit, in der das Corona-Virus alles in Frage stellt und zugleich einen umfassenden Gezeitenwechsel in jedweder Hinsicht einleitet.
Wie steht es derzeit um das Berufsbild „Restauranttester“?
Wenn er/sie Pech hat, ist er zurzeit genauso arbeitslos und zum Nichtstun verdammt wie sein Sujet, das Restaurant. Wenn er flexibel und kreativ ist, sucht er dagegen die Nähe noch funktionierender Betriebe, die etwa Take-Away-Mittagstisch oder neue Lieferservices anbieten oder für die „Held*innen“ und Helfer*innen in den Praxen und Krankenhäusern kochen. Oder er nutzt die Zeit, um über die sich ändernden Strukturen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Branche nachzudenken.
Welche Überlebenschancen räumst du der Sterne-Gastronomie ein?
Wenn sie inhabergeführt ist, und das ist sie meistens, wenn kein Hotel oder Mäzen dahinter steht: kurzfristig geringe. Vor allem die jungen, dynamischen, experimentierfreudigen Konzepte, die in guten (und teuren) Großstadt-Kiezlagen eröffneten, haben kräftig in ihre Lokale und Mitarbeiter investiert und werden kaum Polster für drei Monate haben. Eher für zwei Wochen. Das bedeutet jedoch nicht das generelle Aus für die Spitzengastronomie. Es wird auch 2021 noch Sterne geben und es werden neue dazukommen. Möglicherweise werden es eher gesetzte Häuser sein – oder ganz neue Player.
Die Insolvenzen von Vapiano und Maredo verdeutlichen schonungslos, wie die Corona-Krise die Schwächen der System-Gastronomie verschärft. Teure Immobilien in guter Lauflage in den Innenstädten oder einseitige Franchise-Verträge zugunsten der Lizenzgeber dürften auch diesem Teilbereich der Gastronomie nun zum Verhängnis werden. Steht zu erwarten, dass sich dieses Geschäftsmodell schneller erholen wird als das der inhabergeführten Gastronomiebetriebe?
Beide Ketten waren auch schon vor Corona nicht gesund. Wie mir Andrea Belegante, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS), dieser Tage im Interview sagte, habe dieses Branchensegment die Kraft, nach der Krise wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren: Die Mitgliedsbetriebe des BdS, darunter übrigens auch Vapiano, hätten nämlich in den letzten Jahren über 10.000 Menschen eingestellt sowie „in Mitarbeiter, Digitalisierung, Innovationen, Service und Produktentwicklungen investiert“. Das klingt einigermaßen glaubhaft.
Fastfood-Ketten wie McDonald’s, Subway oder Starbucks agieren als Global Player und sind ebenso bekannt für ihre Steuer-Optimierungs-Varianten. Die Betreiber von Imbissbuden haben in dieser Hinsicht gegenüber diesen Giganten kaum eine Chance auf Wettbewerbsgleichheit. Nun fördert die Bundesregierung Kleinunternehmen mit 50 Milliarden Euro, Großunternehmen ab 250 Mitarbeiter hingegen mit 600 Milliarden Euro. Stimmen die Proportionen oder ist der Gesetzgeber gefordert hier nachzubessern?
Rechnerisch stimmt’s auf den ersten oberflächlichen Blick: Die Summe für Großunternehmen ist 12-mal so hoch wie für die Kleinen, sie haben aber auch 100-mal mehr Mitarbeiter als die Imbissbude. Das Problem sind jedoch vor allem, wie auch vom DEHOGA (Dt. Hotel- und Gaststättenverband) und jüngst vom Verband der Familienunternehmer eindrucksvoll dargelegt, die mittelständischen Unternehmen. Die Banken geben denen nämlich kein Geld, weil sie ihre Bonitätsprüfungen nach denselben Kriterien durchführen wie vor der Krise. Kann man ihnen nicht mal verübeln, weil ihnen sonst die Bafin aufs Dach steigt. Deshalb müssen die Ausfallgarantien des Bundes, und hier muss nachgebessert werden, nicht bei 90, sondern bei 100 Prozent liegen. Zwingend. Sonst geht alles kaputt.
Die Aldi-Erben rangieren derzeit auf Platz 23, der Eigner von Lidl auf Platz 36 der Weltrangliste für Milliardäre von Forbes. Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland wird von einem Oligopol von sieben Firmen beherrscht, so mächtig, dass die Bundeskanzlerin erst unlängst zu einem Lebensmittelgipfel ins Kanzleramt einlud. Besteht Hoffnung, dass die Politik, aber vielleicht auch die Verbraucher/Wähler sich eines Besseren besinnen und dieser Marktkonzentration etwas entgegen setzen?
Freiwillig werden weder die Politik noch die Discounter etwas an dieser Konstellation ändern. Großbauern und Lebensmittelkonzerne haben mächtige Lobbys. Die einen beharren auf ihren EU-Subventionen, die anderen, etwa Produzenten von Zucker oder Schweinefleisch, gehören zur Weltspitze in ihrem Segment und exportieren auf Teufel komm raus. Und beide beklagen sich tränenreich, dass der Handel die Preise drückt. Und der Verbraucher? Will nur billig kaufen – so lautet zumindest das Vorurteil. Aber Corona ändert das gerade, oder wirkt vielmehr wie ein Katalysator für Entwicklungen, die dank „Fridays For Future“ und anderen Bewegungen bereits begonnen haben: Die Leute machen sich neuerdings Gedanken um die Lieferketten auch ihrer Lebensmittel, sie hinterfragen deren Herkunft. Sie sind aufmerksamer, das ist gut! Ich erhoffe mir eine neue Wertschätzung für hiesige regionale Produkte.
Das Problem ist, dass Klein- und Biobauern keine Lobby haben – und genau diejenigen, die gemeinsam mit ihnen eine dezentrale, saubere, regionale Lebensmittelproduktion mit kurzen Lieferwegen in Brüssel einklagen könnten, nämlich zum Beispiel die Verbände der ökologisch denkenden Spitzenköche, angeführt von der europäischen Köchevereinigung Euro-Toques, stehen mit ihren Betrieben gerade vor dem wirtschaftlichen Ruin. Das wirft die Bemühungen gerade ziemlich zurück.
Die Bertelmanns-Stiftung veröffentlichte im Juli letzten Jahres eine Studie zur „Neuordnung Krankenhaus-Landschaft“ und kommt zu der Annahme, eine „bessere Versorgung ist nur mit halb so vielen Kliniken möglich.“ Wie qualifiziert bewertest du aktuell die Expertise des Autors der Studie in Bezug auf den Etatansatz hinsichtlich der Verpflegung von Patienten und Mitarbeitern in Krankenhäusern?
Es mag durchaus möglich sein, mit nur halb so vielen Kliniken eine bessere Versorgung zu gewährleisten. Dänemark macht das gerade vor. Woran die Dänen – Gesundheitspolitiker, Krankenhausverwaltungen und Patienten gleichermaßen – jedoch nicht im Traum denken und was sie sich niemals gefallen lassen würden: Einen derart lieblosen und von geldgetriebenen Controllern minimalst budgetierten Fraß zu akzeptieren, wie er in Deutschland Normalzustand ist. Das ist kulinarisch eine glatte Sechs, respektlos gegenüber den Kranken, respektlos gegenüber den Lebensmitteln – denn so eine Pampe schmeißt man bedenkenlos auch weg – und gesund ist es schon gar nicht. Immerhin kann ich auf Patrick Wodni verweisen, der es als Krankenhauskoch in Berlin schafft, mit seinem erbärmlichen Budget gut, gesund und verantwortungsvoll zu kochen. Er beweist, dass sich auch eine Großküche dezentral mit sauberen Produkten von Erzeugern vor der eigenen Haustür versorgen kann – auch für die geforderten fünf Euro Budget pro Patient und Tag.
Du bist einer der Gründer der neuen Plattform Eco Beach, laut Eigenbeschreibung ein „Medium derDringlichkeit und des Umdenkens.“ Was hat es damit auf sich und welche Akzente möchtest du damit in Bezug aufs „Umdenken“ setzen?
Du bist ja selbst ein alter Fahrensmann der Popkultur und weißt, dass „Echo Beach“ ein kanadischer Wavesong von 1979 ist. Ein befreundetes Hamburger Reggae-Label hat sich danach benannt. Und wir auch, nur mit dem „Eco“-Switch. Wir sammeln mediales Strandgut und bereiten es für die anstehenden Debatten auf. Zunächst mag das „nur“ wie eine Stoff- und Materialsammlung in Sachen Future Food, Agrarpolitik, regenerative Landwirtschaft, Alternative Meat, pflanzenbasierte Ernährung, Tierwohl, Bio-Gastronomie und dergleichen anmuten. Aber dahinter steckt mehr, eine offene Plattform für alle, die sich über diese Themen informieren und austauschen wollen. Inklusive der Entwicklung neuer Tools etwa für den kurzen Weg vom Erzeuger zum Koch oder Konsumenten unter Ausschaltung des Handels. Wir arbeiten für den Systemwandel. Bitte sprich als nächstes mit Maja Göpel!
Interview: Manfred Tari
Bild Peter Erik Hillenbach: Privat