Rund 35.000 Teilnehmer folgten dem Aufruf der Initiatoren der Demonstration „Wir haben es satt“ am 19. Januar in Berlin. „Essen ist politisch“ lautete einer der Slogans der diesjährigen Protestaktion für eine gerechtere und ökologische Landwirtschaft, die bereits zum neunten Mal stattfand. Christian Rollmann ist einer der Pressesprecher der Demonstration, welche von zahlreichen Verbänden aus dem Bereichen Naturschutz, NGOs oder Unternehmen aus der Biobranche unterstützt wird.
Wie fällt die Bilanz und das Fazit zur Demonstration „Wir haben es satt!“ aus?
Durchweg positiv. Das war wieder einmal eine tolle Demonstration! Es waren wieder mehrere Zehntausende in Berlin auf der Straße für die Agrarwende. Bäuerinnen und Tierschützer, Umweltaktivistinnen und Köche, Imkerinnen und Aktive für globale Gerechtigkeit. Dazu eine Unmenge an selbstgemalten Schildern und kreativen Kostümen. Gemeinsam haben wir mit 35.000 Menschen eine Umverteilung der Agrarsubventionen und einen klimagerechten Umbau der Landwirtschaft gefordert. Ein deutliches Signal also an die Bundesregierung und an Ministerin Klöckner, dass der Umbau der Landwirtschaft keinen Aufschub mehr verzeiht.
Einer der Kernpunkte der Demo ist es auf die ungerechte Verteilung der Agrarsubventionen aufmerksam zu machen. Wie realistisch ist es angesichts der aktuellen politischen Gegebenheiten, dass sich in diesem Zusammenhang wahlweise in Brüssel oder Berlin an der derzeitigen Vergabe-Politik etwas ändern wird?
Wir wissen natürlich, dass wir an einem dicken Brett bohren. Die Spitzen des Bauernverbandes und die Unionsparteien sperren sich mit aller Kraft gegen die Abschaffung der pauschalen Flächensubventionen. Aktuell gilt: Wer viel hat, dem wird gegeben. Das führt dazu, dass die flächenreichsten Betriebe in der Landwirtschaft das meiste Steuergeld bekommen. Das obere Prozent der flächengrößten Landwirtschaftsbetriebe bekommt alleine eine Milliarde aus Steuergeld im Jahr. Dieses System ist absurd und es muss geändert werden. Wir bleiben dran und machen Druck für gerechte Agrargelder, versprochen. In Zukunft darf nur noch gefördert werden, was uns als Gesellschaft weiterbringt. Konkret heißt das: Tier- und Umweltschutz, gesundes Essen und der Erhalt der ländlichen Räume.
Gibt es im Nachgang zur Demonstration eine gemeinsame politische Agenda der Bündnispartner von „Wir haben es satt!“ für die anstehenden Europawahlen im kommenden Mai, beispielsweise verbunden mit einer Wahlempfehlung?
Wir sind ein überparteiliches, zivilgesellschaftliches Bündnis. Deswegen rufen wir nicht zur Wahl einer bestimmten Partei auf. Aber wir empfehlen auf jeden Fall im Mai wählen zu gehen. Und wir können nur allen raten, sich die Positionen der zur Wahl stehenden Kandidat*innen – nicht nur was Landwirtschaft und Ernährung angeht – genau anzusehen und eine Wahl für ein solidarisches und weltoffenes Europa mit guter Landwirtschaft und gutem Essen zu treffen.
2019 ist ein sogenanntes „Superwahljahr“. Gibt es Planungen des Bündnisses „Wir haben es satt!“ auch bei den anstehenden Landtagswahlen für die Ziele der Initiative zu werben?
Dazu gibt es momentan noch keine konkreten Überlegungen. Aber wir werden in unserem Trägerkreis diskutieren, inwieweit „Wir haben es satt!“ wieder mehr in den einzelnen Bundesländern aktiv wird. Das gab es in der Vergangenheit und das wird es in Zukunft sicher auch wieder geben.
Ist es nicht naheliegend, angesichts des Mobilisierungspotentials von „Wir haben es satt!“ künftig den politischen Aktionsradius des Bündnisses auch auf gemeinsame Lobby-Aktivitäten auszuweiten?
Wir haben eine gute Arbeitsteilung bei uns im Bündnis. „Wir haben Agrarindustrie satt!“ ist der Aktionszweig. Das heißt wir bringen unter diesem Slogan die politischen Botschaften auf die Straße, die wir vorher gemeinsam diskutieren und entwickeln. Unsere Trägerorganisationen tragen diese in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern weiter und werben auf anderen Ebenen für die Agrar- und Ernährungswende. Das werden wir auch weiterhin so zu handhaben.
Interview: Manfred Tari
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