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Neulich mit Rainer Trüby

Sonnig ging die erste Ausgabe des DJ-Happenings Summersounds über die Bühne. Gewohnheitsmäßig eröffnete Team Juicy Beats mit Carsten Helmich und Ingo Sänger den Veranstaltungsreigen zum Saisonauftakt. Zur allgemeinen Begeisterung trat heuer obendrein Rainer Trüby als Special Guest an.

Anlass genug, einen verdienten Altmeister und Wegbereiter fürs zeitgenössische Elektroglück über die bisweilen noch unterschätzte Wechselwirkung zwischen Popmüzik, Schmorgerichten und Kaltgetränken zu befragen. Herausgekommen ist ein Interview gespickt mit jeder Menge Empfehlungen für Weine, Lokale, Locations und Lesetipps…

Delinale.de: Wie erklärt du dir, dass DJs ein Vorliebe für gutes Essen und Getränke haben?
Rainer Trüby: Schallplatten auflegen ist irgendwie wie Kochen. Du hast da ’nen kleinen oder größeren Fundus an Zutaten und mischst das dann bestmöglichst zusammen. Von daher gibt es da sicherlich Parallelen. Die Kaltgetränke spielen da sicherlich auch eine wichtige Rolle. Bei mir sind das im besten Falle gute „vergorene Trauben“, am liebsten leichte trockene Weißweine, Riesling, Silvaner, Gutedel, auch den verkannten Müller-Thurgau gerne.

Rainer Trüby bei der Arbeit am Hochregal – Foto – Trübys Privat Archiv

Delinale.de: Du selbst hast eine Präferenz für Wein. Welche Weine, Winzer oder Weingüter genießen aktuell deine Wertschätzung?
Trüby: Ich trinke immer gerne „Local“, beim Auflegen dann am liebsten den trockensten Weißwein aus der jeweiligen Region. Es gibt da oft sehr positive Überraschungen, zuletzt beim letztjährigen Nisville Jazz Festival in Serbien. Das war ’ne autochthone Rebsorte von einem recht unbekannten Winzer. Das Etikett war auf kyrillisch, von daher kann ich nicht mehr viel dazu sagen. Hier in Baden mag ich gerne Freaks wie „Enderle-Moll“ aber auch die Klassiker wie „Heger“, „Keller“, „Dörflinger“, „Reiner Probst“, „Huber“ wie auch „Salwey“ sind immer willkommen. Mosel-Riesling mag ich auch gerne, da am liebsten Stefan Steinmetz und auch Markus Molitor.

Rotwein geht auch, da liegen meine Präferenzen momentan im Burgund und in einer nordspanischen Region namens „Bierzo“. Mencia heisst die Rebsorte da.

Delinale.de: Abgesehen von Wein, was sind deine Leibgerichte oder favorisierten Ess-Gewohnheiten?
Trüby: Ich frühstücke gerne spät und dann pikant und ausgiebig. Das Mittagessen lass ich meistens aus und freu mich dann aufs Abendessen umso mehr. Bin im Winter ein großer Freund von Schmorgerichten und im Sommer darfs gerne auch leichter zugehen. Ich mag Gemüse, wie auch Fleisch und Fisch. Ohne Pasta könnte ich nicht sein. Ich mag gerne Kutteln, denn man sollte sich beim Fleisch nicht nur das Filet gönnen, sondern das Tier dann doch als Ganzes sehen. Generell versuche ich, auf meinen Reisen immer bestmöglichst die regionalen Spezialitäten aufzuspüren, statt auf irgendwelche bemüht internationale Fusion-Versuche reinzufallen.

Delinale.de: Egal ob auf Festivals oder Klub-Shows, in der Regel gibt es in der Abteilung „Genuss“, unabhängig von eigentlichen Unterhaltungsprogramm, fürs Publikum bei den meisten Veranstaltungen nicht viel zu holen. Dennoch, sieht du bei deinen Gastspielen Entwicklungen hin zum besseren?
Trüby: Es entwickelt sich derzeit prächtig. Inzwischen spiele ich auch vermehrt auf sogenannten „kulinarischen Gigs“, wo es sich dann doch auch vermehrt um gutes Essen, Wein oder auch Gin dreht.
Aber auch in den Clubs ist generell eine Steigerung weltweit zu erkennen, was zumindest das Wein- oder auch Gin-Angebot betrifft. Österreich und die Schweiz sind da lustigerweise ganz vorne. Manche traditionelle Weinbaunationen wie Italien, Spanien oder auch Frankreich hinken da etwas nach. Da wird dann eher nur zum Essen Wein getrunken. Hierzulande lässt sich auch ein Aufwärtstrend in Qualitätsbewusstsein erkennen. Und in Dortmund im Park läuft ein Kronen-Pils eben auch gut….

Delinale.de: Ein ansprechendes Weinangebot, geschweige denn eine Weinkarte ist auf Pop-Happenings, wenn überhaupt eine Rarität. Gibt es Ausnahmen im Bereich von Klubs oder Events, die deiner Meinung bereits das Prädikat „Wertvoll“ verdienen?
Trüby: Au ja, da gibt es inzwischen einige nennenswerte Locations: Ganz vorne liegt sicherlich das Garito Cafe in Palma de Mallorca. Die Weinkarte ist sehr gut sortiert und trinkfreundlich kalkuliert. Da spiele ich besonders gerne….

Delinale.de: Internationale Festivals wie das Paleo Festival (CH), das Flow Festival (FI) oder das Roskilde Festival (DK) haben ihren Food-Bereich regelrecht kultiviert und fahren auf ihren Veranstaltungen exzellente Speisen und Getränke auf. Sieht du bei deinen Auftritten, dass sich auch hierzulande in dieser Hinsicht was tut und wenn ja, welche Veranstaltungen kommen dir in diesem Zusammenhang in den Sinn?
Trüby: Das freut mich sehr. Inzwischen mischen ja oft kultivierte Street Food-Trucks dann mit, was sicherlich der Qualität zugute kommt. Ich veranstalte hier in Freiburg eine Reihe namens „Beats & Öxle“ gemeinsam mit regionalen wie auch internationalen Winzern & DJs. Das wird ganz gut angenommen. Gibt´s aber auch schon ca. 15 Jahre jetzt hier in Freiburg.

Delinale.de: Andererseits kommt die Mehrzahl der Food-Festivals mit einem musikalischen Programm daher, das geschmäcklerisch oftmals zu wünschen lässt. Fehlt es hierzulande an kritischer Masse, um eine Veranstaltung zu ermöglichen, die sowohl Foodies mit Musikgeschmack und zugleich die üblichen, eher gediegenen Kostgänger aus dem gutbürgerlichen Milieu anspricht?
Trüby: Wäre schön, hier gute Kräfte weiter zu bündeln und musikalisch, wie auch kulinarisch da gemeinsam auf hohem Niveau weiter zu kooperieren…passt ja alles bestens zusammen.

Delinale.de: Einschlägige Pop-Größen wie Action Bronson, Questlove oder Seth Troxeler sind längst berühmt für ihren kulinarischen Aktivismus, haben eigene Koch-Shows, kochen für Obdachlose oder veröffentlichen Kochbücher. Welche Kollegen oder Kolleginnen kommen dir in den Sinn, die ähnlich missionarisch veranlagt sind?
Trüby: Ich schätze sehr Stevan Paul mit seinen Kochbüchern, wie auch seinen kulinarischen Romanen. Er hat wohl in den 90er Jahren auch öfter mal Platten aufgelegt. Zu finden hier: nutriculinary.com. Mein Schweizer Freund Claudio del Principe hat auch nen schönen Blog, welcher mich immer inspiriert: anonymekoeche.net. Und auf jeden Fall Anthony Bourdain, der mir wirklich fehlt….

Trüby Trio Featuring Joseph Malik – High Jazz – Erschienen 2002 auf Compost Records

Delinale.de: Wo und wie informierst du dich über Neuheiten im Bereich „Food & Drinks“ (privat) sowie in Sachen „Pop“ (beruflich)?
Effilee  ist mein Lieblingsmagazin derzeit. Immer sehr lesenswert. Essen & Trinken habe ich auch abonniert, wie auch Vinum für die vergorenen Trauben. Die Musik bekomme ich glücklicherweise meistens von den einschlägigen Labels als Promos bemustert. Alte Schallplatten kaufe ich nach wie vor gerne auf dem Flohmarkt, beim Second Hand-Plattenhändler des Vertrauens, hier und da oder auch manchmal bei Discogs.com.

Delinale.de: Abschließend noch die Fragen nach deinem „Best Dining Ever“ und der „Hopefully Never Again Experience“?
Trüby: Gab schon einige schöne Essen, aber letztens in Paris war diese Adresse hier unglaublich gut: dilia.fr, sensibel, Italo-French, Top Weinkarte, ohne Chichi, besternt und mehr als den Preis wert.

„Hopefully never again“ war auch in Paris am Abend vorher, japanisch-französische Fusionküche auf ’nem Food-Market. Celeb-Chef. Grausam gewollt, hab den Namen verdrängt….

Der wundersame Wandel vom Tanztee-DJ zum „House Head“…
Trübys Werdegang nahm 1990 als Tanztee-DJ in einem Altersheim in Stuttgart seinen Lauf. Es folgten Residencies im Stuttgarter ON-U Club (Gebrüder Tiefschwarz), die Fraternisierung mit Michael Reinboth (Compost Records), gefolgt vom Trüby Trio, jede Menge Scheiben und Remixe, darunter Namen wie Frederic Galliano, Thievery Corporation, Nitin Sawhney, Bebel Gilberto, Turntablerocker, US3, Kim Sanders, Wagon Cookin´ oder Klaus Doldinger.

Mittlerweile wähnt sich Herr Trüby als „House Head“, koaliert unter anderem mit Danilo Plessow vom Motor City Drum Ensemble, Vanessa Freeman, Karl Friersson und Corrado Bucci.

Seit 20 Jahren mischt er zudem Root Down @ Waldsee in Freiburg auf, wo ihm unterem einschlägige Größen wie Theo Parrish, Laurent Garnier, Gilles Peterson, Dixon, Âme, Christian Prommer, Solomun, Peter Kruder, Axel Boman, Jimpster, Jazzanova, Kon und Lefto zur Seite standen.

Mehr zu Trüby Online findet sich hier:
http://www.facebook.com/pages/rainer-trueby/
https://soundcloud.com/rainertrueby
http://www.mixcloud.com/rainertrueby/
http://www.residentadvisor.net/dj/rainertrueby/

Titelbild: Rainer Trüby – © – Foto Copyright Garceche
Interview: Manfred Tari

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