Es gibt Veranstaltungen für Food-Begeisterte, die stehen außerhalb jeglicher Konkurrenz. Von diesen gibt es selbstverständlich nicht viele. Aber wenn eines in dieser Kategorie mitzunennen ist, dann ist es das Copenhagen Cooking & Food Festival.
Nicht allein wegen seiner Größe, sondern viel mehr, weil es das Programm und die Agenda dieses Festivals hergibt. Erstmals im August 2016 stattgefunden, präsentiert diese Veranstaltung einen Mix aus Themensetzungen, Einzelveranstaltungen, wahlweise kulinarischen oder gastronomischen Höhepunkten, die in Summe das Prädikat „Innovativ“ mehr als verdienen.
Das Copenhagen Cooking & Food Festival hat eine Mission. Es bedient sich einzelner Komponenten der Global Goals der Vereinten Nationen, bringt jede Menge Food-Veranstaltungen unters Volk, schafft es, zugleich den Bogen von Cidre bis hin zu Champagner zu schlagen und offenbart eine Dynamik, die einfach ihresgleichen sucht.
Anlässlich der anstehenden Ausgabe des 10-tägigen Festivals am 24.08.-02.09., bat Delinale Stephen Kastberg Haar, den Sprecher dieses Festival, um ein Interview.
Delinale: Was sind die aktuellen Trends in der nordischen Küche?
Stephen Kastberg Haar: Bevor das Restaurant Noma 2004 eröffnet wurde, war Dänemark eine Art gastronomisches Niemandsland. Niemand sprach über die dänische Gastronomie. Es war gutbetuchten Gästen vorbehalten, die sich für ein französisch inspiriertes Esserlebnis interessierten. Damals waren die Spitzenrestaurants in Dänemark sehr von der französischen Küche geprägt. Der Status einer Karotte, die auf dem Markt in Paris gekauft wurde, war höher als von der, die auf dem Feld außerhalb des Restaurants wuchs. Die Leute hielten die dänischen Zutaten einfach nicht für luxuriös genug. Es mussten schon Kaviar, Foie Gras oder Trüffel sein.
Zu der Zeit, als das Noma eröffnet wurde, war es eine Revolution, ein Restaurant mit großen Ambitionen zu sehen, welches überwiegend auf nordische Zutaten setzte. Ausgerechnet die Leute, die zuvor noch für Foie Gras und Kaviar schwärmten, sollten sich nun davon überzeugen, völlig vergessene lokale Zutaten wie Kiefer, Sanddorn usw. zu genießen. Es war ein kultureller Konflikt. Selbst die Restaurantkritiker waren in den ersten Jahren nicht zufrieden zu stellen. Eigentlich hatten sie viel Mühe, das Restaurant mit Gästen zu füllen.
Doch im Laufe der Jahre fanden immer mehr Menschen, Köche und Restraurantkritiker heraus, dass die Philosophie von Noma mehr als nur eine Speisekarte eines Restaurants sein kann. Es war Teil einer neuen Bewegung mit dem Potential, die dänische Esskultur zu bewegen. Aber es war definitiv kein sofortiger Erfolg. Es war von Anfang an harte Arbeit. Das wichtigste und konkreteste Beispiel für den Noma-Einfluss ist ein Blick auf die Verantwortlichen der besten Restaurants in Kopenhagen. Amass, Relæ, Manfreds, Bæst, Ancestrale, Sanchez, Dragsholm Slot, Geranium, Fiskebaren, Radio und jetzt auch die Bäckerei Juno The Bakery werden von Leuten betrieben, die schon einmal in Noma waren.
Und das nur in Dänemark. Selbst für einen Blick auf die Weltkarte kann man nun die doppelte Anzahl an roten Nadeln verwenden.
Zweitens hat der Noma-Effekt die dänische Esskultur ganz allgemein beeinflusst. Fast alle Supermärkte in Dänemark haben jetzt getrennte Bereiche mit ausschließlich lokalen Lebensmitteln, was in der Zeit vor dem Noma völlig unbekannt war. Auch der Anteil der in Dänemark verkauften Bio-Lebensmittel hat dramatisch zugenommen. Eigentlich so sehr, dass Dänemark heute das Land ist, das die meisten Bio-Lebensmittel pro Kopf kauft. Im Jahr 2015 waren 8,4 Prozent aller in Dänemark verkauften Lebensmittel ökologisch erzeugt. Das Noma ist natürlich nicht der einzige Faktor für diese Bewegung, aber ich bin mir sicher, dass dieses Restaurant eine sehr wichtige Rolle für diese Entwicklung spielte. Die Fokussierung auf lokale Zutaten, wie im Noma praktiziert, hat einen Trend ausgelöst, der zu ultra-lokalen Restaurants führte, die Zutaten verwenden, die sie selbst herstellen und sogar selbst in ihrem eigenen Garten anbauen.
Gute Beispiele hierfür sind: oestergro.dk – amassrestaurant.com – dragsholm-slot.dk
Essen ist mittlerweile eines der drei wichtigsten Dinge, warum Touristen Kopenhagen besuchen. Ehrlich gesagt, es ist nicht einmal 15 Jahre her, da sprach niemand über die Food-Szene in Kopenhagen.
Hinsichtlich der aktuellen Trends ist zu bemerken, dass Restaurants immer mehr einen Fokus auf die Verwendung von Gemüse legen. In den besten Restaurants Kopenhagens finden sich heutzutage bis zu 90 Prozent Gemüse-Gerichte auf deren Degustations-Menüs und ich schätze, in Zukunft werden es noch mehr sein. Auch wird in der Branche derzeit viel über die Gleichberechtigung in den Küchen gesprochen und darüber diskutiert, wie das Arbeitsumfeld verbessert werden kann. Dies ist auch ein Schwerpunkt unseres diesjährigen Festivals.
Delinale: Wie spiegeln sich diese Trends im aktuellen Programm des Copenhagen Food Festivals wider?
Kastberg Haar: In diesem Jahr gibt es mehr als 30 verschiedene Einzelveranstaltungen, die sich hauptsächlich mit Gemüse beschäftigen. Zudem werden wir ein Symposium veranstalten, bei dem mehr als 50 der wichtigsten Frauen im nordischen Gastgewerbe zusammenkommen und sich verpflichten, etwas für mehr Gleichberechtigung in der Küche zu tun.
Delinale: Welches sind die Bestseller in diesem Jahr?
Kastberg Haar: Das Frederiksberg Erntefest und Top Dog Charity – die Hot Dog Weltmeisterschaft.
Sie sind die bekanntesten und beliebtesten Veranstaltungen, die wir durchführen.
Delinale: Welche davon sollten öffentliche Aufmerksamkeit verdienen?
Kastberg Haar: Ganz nach Belieben…
Delinale: Auf dem Programm stehen auch Veranstaltungen der Lebensmittelindustrie, unter anderem das MAD-Symposium und die Messe BITE. Wie groß ist das Publikum für diese B2B-Veranstaltungen und welche Auswirkungen haben diese auf die verbraucherorientierten Programmpunkte?
Kastberg Haar: Die B2B-Veranstaltungen sind sehr wichtig für das Festival und seine Ökonomie. Unser Ziel ist es, diesen Teil des Festivals in den nächsten Jahren noch weiter auszubauen. Im vergangenen Jahr zählte die Messe BITE bereits mehr als 10.000 Besucher. Siehe auch bitecopenhagen.dk
Delinale: Wie wird das Copenhagen Food Festival organisiert und finanziert?
Kastberg Haar: Das Festival wird von der Food Organisation of Denmark veranstaltet und betrieben. Mehr dazu findet sich auf thefoodproject.dk.
Das Festival selbst wird durch Partnerschaften mit Lebensmittel- und Getränkeunternehmen sowie finanziell durch die Københavns Kommune und Frederiksberg Kommune unterstützt.
Delinale: Essen und Trinken sind zu einem Bestandteil der Popkultur geworden. Aber das Thema geht auch mit sozialen und ökologischen Aspekten einher. Würdet ihr mit einschlägigen Konzerngiganten als Sponsoren oder Partnern zusammenarbeiten, die eher für Kinderarbeit und fragwürdige Geschäftspraktiken bekannt sind?
Kastberg Haar: Nope. Unser Ziel ist es, mit Unternehmen zu kooperieren, die zu den Zielen und Ambitionen des Festivals beitragen, wie sie in Global Goals der Vereinten Nation definiert sind. –
Delinale: Was steht auf der Wunschliste des Copenhagen Cooking & Food Festivals in naher Zukunft?
Kastberg Haar: Die Anzahl der internationalen Gäste zu erhöhen, ist definitiv einer unserer Wünsche.
Delinale: Was war in letzter Zeit dein aufregendstes Esserlebnis und welche Erfahrung hättest du lieber ausgelassen?
Kastberg Haar: Gestern hat es in Kopenhagen zum ersten Mal seit Monaten geregnet. So feierte ich das mit einem Smørrebrød bei Aamanns 1921. Adam Aamann ist der neue König des Smørrebrød und das Aamanns 1921 ist die neue Burg des Königs in Kopenhagen.