Showdown für Koehler’s Cafe
Geduldig ertragen die Mitarbeiter die ständigen Nachfragen der Kunden, wann es denn soweit ist und was aus ihnen werden wird. Aber selbst sie wissen nichts genaues. Vielleicht schon morgen oder doch erst am 31. August. Die Küche schon geschlossen, ein Teil der Verkaufsregale bereits leergeräumt, noch aber ist immerhin das Kuchenbüffet gut bestückt.
Schleichend, aber unausweichlich kommt das Ende des Kaffehauses mit angeschlossener Feinkostabteilung daher. Einer der letzten Bastionen in der gehobenen Preisklasse für Esskultur und Delikatessen in der Dortmunder Innenstadt verschiedet sich auf Raten. Das neue Stadtbild in zentraler Lage sieht immer mehr wie folgt aus: Franchise-Filialen und Leerstand, angereichert mit Systemgastronomie und Bürokomplexen. Immer mehr ehedem Inhaber geführte Unternehmen schließen ihre Geschäfte, darunter unlängst Kemper und Flenner, ein Fachgeschäft für Porzellan und Küchenzubehör.
2002 fusionierte Feinkost Koehler mit dem Cafe Strickmann. Beides alteingesessene Häuser, Feinkost Koehler immerhin seit 1853, Cafe Strickmann seit 1925. Die Käsetheke im einstigen Koehler Stammhaus an der Hansastraße genoss einen fabelhaften Ruf, welche selbst in der Süddeutschen Zeitung lobend erwähnt wurde. Diese fiel allerdings bereits der Fusion zu Koehler’s Cafe zum Opfer.
Mit dem Zusammenlegen der beiden Geschäfts in den Räumlichkeiten des Cafe Strickmann an der Wißstraße genossen bis vor kurzem immerhin noch die Konditorei sowie eine respektable Auswahl an Feinkostprodukten noch Bestandsschutz.
An der Feinkosttheke wurde der geräucherte Lachs vor den Augen der Kunden tranchiert. Klassiker wie der Chile-Cocktail, ein Salat von Süßgarnelen, gekochten Eiern, frischem Dill in einer Cocktailsauce, der Roastbeef-Salat, der Thaisalat mit Flußkrebsen und Lauchzwiebeln in leichter Curry-Sauce oder der klassische Waldorfsalat zierten die Auswahl. Allesamt selbstgemacht, ergänzt mit Schnitzeln oder garnierten Tornedos.
Die Auswahl an Konserven ließ die Dosenware in Supermärkten oder Discountern seit jeher blass aussehen, kam daher Labskaus der Marke Old Commercial Room oder Langbein’s Hummerpaste. Die Gewürzauswahl, darunter die Produkte von Spirit of Spice, das Meersalz von La Baleine, die Öle von Würzwerk, belegen eindrucksvoll, dass Frau Z., die für die Auswahl zuständig war, kenntnisreich und geschmackssicher ihren Fachbereich bestückte.
Nicht minder beeindruckend kam die Kuchenauswahl daher. Es gab sogar Petit Fours, Gebäck, Torten mit Baiser oder Buttercreme, saisonal Frankfurter Kranz oder eine Schoko-Torte mit einer Creme mit einem Kakaogehalt von 65 Prozent. Blechkuchen, darunter Kirsch-Mascarpone-Schnitten oder Aprikosen-Schmand, leicht angeflämmt, dafür mit einer Gelatine-Glasur überzogen, verschiedenste Sorten von Röstkaffee und natürlich auch Pralinées.
In der Getränkeabteilung gab es Cognac von Brugerolle, Schaumwein der Marke Bouvet Brut Rose Tresor oder Mandarinenlimonade von La Mortuacienne, eine gut sortierte Auswahl an Weinen und, wenn die Zeit dafür war, Cidre und Federweißer im eigens aufgestellten Kühlregal.
Der gutbürgerliche Mittagstisch sowie eine Bistro-Karte mit Evergreens wie Kartoffelsuppe oder Sülze mit Bratkartoffeln. Modernisiert wurde lediglich in Maßen, aber Bratkartoffeln Brandenburger Art, die mit den Brandstippen und leicht bitterer Geschmacksnote wurde den Gästen dankenswerter per se vorenthalten. Anstelle dessen bleiben einem positiv in Erinnerung, dass es bereits im Bistro im Untergeschoss von Feinkost Köhler erstmalig in Dortmund einen Blattsalat gab, der mit frischen Waldbeeren und einer fruchtigen Vinaigrette serviert wurde.
Das Koehler’s war bieder, kultivierte diesen Zustand geradezu, setzte aber konsequent auf Qualität. Dort fanden sich die Produkte und Erzeugnisse kleiner Manufakturen. Der Service war bisweilen streng und erhaben, aber weite Teile der Stammkunden waren den Mitarbeitern namentlich bekannt. Dort bestellte der Hausarzt seine Kanapees für die Familienfeier zum Mitnehmen, während ältere Damen im musealen Gesamtambiente ihren Kaffeekranz begingen.
Natürlich war es auffällig, wenn eine BWLerin als temporäre Betriebsleiterin sich zu fein war, im Hochbetrieb die Servicekräfte beim Abräumen der Tische zu unterstützen. Auch war es irritierend, sollte einem der Lapsus unterlaufen sein, den Termin für Vorbestellungen anlässlich irgendwelcher Feiertagen verpasst zu haben und anschließend nur noch hoffen konnte, den Feinkostsalat der Wahl zu ergattern, da Extrawürste wirklich nur den ganz großen Fischen unter den Stammgästen vorbehalten war.
Mit dem Abgang von Koehler’s Cafe bricht der Innenstadt ein Zacken aus der Stadtkrone. Verliert doch das Inventar interessanter Konsumoptionen in bester Lage eine ihrer bislang renommiertesten Institutionen.
Es ist müßig über die Ursachen und Gründe der Erben des letzten Eigners Dieter Borgmann zu spekulieren, warum es nun zur Schließung von Köhler’s Cafe kommt. Der Umstand, dass selbst die Mitarbeiter noch nicht einmal wissen, wann ihr letzter Arbeitstag ansteht, spricht allerdings für sich. Gleiches gilt ebenso dafür, dass auf Nachfrage noch nicht einmal Rezepte preisgegeben werden. Bleibt die Erkenntnis, dass es einen gleichwertigen Lückenfüller für Koehler’s Cafe so schnell erstmal nicht geben wird…
Text und Titelfoto: Manfred Tari