Die argentinische Fotografin Lucia Fainzilber inszeniert für ihre Fotoserie „The Cookbook“ mehr als nur farbenfrohe Bilder. Sorgte der Begriff „Food-Pairing“ unter Feinschmeckern noch Anfang des Jahrzehnts für Aufsehen, entwickelte Fainzilber diesen Ansatz im übertragene Sinne künstlerisch weiter hin zum „Photo-Pairing“, zuzüglich einer Botschaft.
Die ausgebildete Kostümbildnerin und Art-Direktorin zog es 2008 von Buenos Aires nach New York. Dort absolvierte sie eine Reihe von weiteren Stationen, darunter ein Studium beim International Center of Photography sowie der Mitarbeit bei verschiedenen Mode-Fotografen und legte sich jenen Feinschliff zu, der das Prädikat ‚fundierte Ausbildung‘ rechtfertigt.
Seit 2011 stellt Fainzilber aus, wahlweise zusammen mit anderen Fotografen oder mitunter auch allein. In New York, London, Paris, Washington oder wie im Oktober 2018 im Rahmen der Biennale of Photography in Barcelona.
Seit Mitte Juli ist ihre Fotoserie „The Cookbook“ nun in der Galerie Praxis in New York zu sehen. Die neun Bilder umfassende Serie beeindruckt nicht nur aufgrund der Qualität der Fotografien, für die sie Obst, Gemüse und Blüten auf Tellern und Tischdecken arrangiert.
Fainzilber argumentiert, Essen werde in der virtuellen Welt der sozialen Medien fast ausschließlich auf seine visuelle Erscheinung reduziert, welches zwar in hochaufwändigen Fotos geschätzt, zugleich aber zu einem Fetisch wird. Nur virtuell von den Zuschauern konsumiert, bleibt das Essen in einem imaginären Zustand der Verlockung eines unerfüllbaren Wunsches. Diese digitale Präsenz impliziert eine gewisse Perspektive von außergewöhnlichen Privilegien: Nachdem Essen als solches die Voraussetzung für das biologische Überleben erfüllt hat, wird die Frage der Nahrungsmittelaufnahme zu einer Frage der Unterhaltung.
Das Kochbuch als Hommage
Für sie ist The Cookbook demnach eine: „Hommage an die neue visuelle Hegemonie, die Nahrung in der zeitgenössischen Kunst mit sich bringt: ein zukunftsweisender Agent, eine Kunstform“, denn das Thema Nahrung hat sogar in Fernsehsendungen eine führende Rolle erobert, brachte den Begriff „Food-Porn“ oder den Hashtag „#Foodie“ hervor“.
Essen sei zudem seit jeher aber auch mit kultureller Identität verbunden, die sozusagen symbolisch konsumiert wird und stellt fest, Kochbücher waren ehedem „Familienalben, Anleitungen, die vor allem für Hausfrauen geschrieben wurden, um sich auf ihre tägliche Küchenarbeit zu beziehen“.
Die ohnehin mehrfach ausgezeichnete Fotografin erweitert den Kontext der Bildreihe daher obendrein um die Antwort auf die Frage, wie sich die Migration auf ihre kulinarische Identität und Vorlieben auswirkt.
Das Vermächtnis der Leibspeisen in der Fremde
Dazu führt Fainzilber an, dass ihr als Immigrantin klar wurde, dass sie sich durch das Essen näher an zu Hause fühlte. „Seit ich nach New York gezogen bin, wurde mir bewusst, welche Freude und Nostalgie ich beim Essen argentinischer Speisen empfand. Ich komme aus einer Familie, in der das Essen eine bedeutende, schöne und doch komplexe Rolle spielt. Es gibt ein großes Vermächtnis der Einwanderer und Essen wurde zu einem Schlüsselelement, um unsere jüdische Identität am Leben zu erhalten“.
Familiär nimmt auch die Küche in diesem Zusammenhang eine Hauptrolle ein, denn diese: „war schon immer unser Treffpunkt und es gibt immer einen Grund für uns, uns an einem Küchentisch zu treffen. Das Pastrami meiner Großmutter erhält jedes Jahr seine Höchstzahl an Punkten und an jedem Geburtstag werden unsere persönlichsten und verrücktesten Wünsche mit ihren Kuchen erfüllt.“
Geschmacksrichtung „Weltoffen“ in New York
Was ich an einer Stadt wie New York liebe, ist der Zugang zu Zutaten und verschiedenen ethnischen Küchen. Ich entdeckte meine Leidenschaft für die griechische, japanische, koreanische und vietnamesische Küche. In New York gibt es zudem den besten gegrillten Oktopus haben, die ich je probiert habe.
Ihre Lieblingsmärkte sind der Farmersmarkt am Union Square, Eataly, der koreanische und chinesische Markt in Chinatown, denn dort gibt es jene „exotische Zutaten, die in einem normalen Supermarkt nicht leicht zu finden sind“.
Die Ausstellung in der Galerie Praxis in New York läuft vom 12. Juli bis 7.September 2019. Eine Gesamtübersicht der Fotoserie „The Cookbook“ sowie weiterer Arbeiten der Fotografin finden sich auf luciafainzilber.com. Aufnahmen aus der Bildserie „Paraíso“ der Künstlerin sind in Deutschland über die Düsseldorfer Galerie Gericke + Paffrath zu beziehen…
Bilder: Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und der Praxis Gallery NY
Pictures: Courtesy of the artist and Praxis Gallery NY
Text: Manfred Tari