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Neulich mit Jan-Peter Wulf

Fachjournalist, Blogger, Texter, Referent, der moderne Medienmensch ist vielseitig. Nach eigenen Angaben vereint Jan Peter Wulf jene voran genannten Berufsbezeichnungen in einer Person. Einst im Ruhrgebiet ansässig, hat es ihn vor Jahren nach Berlin verschlagen. Dort betätigt er sich obendrein als Herausgeber des Nomyblog.de, einem Online-Magazin für Gastronomie und Genuss.

Aufgegliedert in die Rubriken Gastronomie, Getränke, Food, Interviews & Portraits, Medien & Tools sowie Events kommt der Nomyblog als eine umfassende Gastro- & Gründer-Gazette daher. Beeindruckt dabei eher durch ausführliche Beiträge, anstatt den durchlaufenden Posten tagesaktueller Meldungen in diesem Kontext zu bedienen.

Bei Durchsicht des redaktionellen Inventars fällt auf, dass sich Artikel um Produkte, Trends sowie mit Berlin-Bezug häufen, es ist aber genau diese Mischung, die den inhaltlichen Markenkern des Magazins ausmacht. Zwar wird stilistisch an Kritik gespart, dafür umso mehr eine konstruktive Schreibe gepflegt.

Aber irgendwie geht es auch beim Nomyblog um Neuigkeiten. Grund genug, mit Jan-Peter Wulf einige Fragen auch über den Nomyblog hinaus zu erörtern:

Delinale: Welche Themen laufen bei Nomyblog gut, welche weniger gut?
Jan-Peter Wulf: Nomyblog richtet sich in erster Linie an Gastronomen, Hoteliers, Caterer und die Zulieferer. Wobei ich mich natürlich freue, auch viele Gäste und Genießer als Besucher zu haben. Wegen der Business-to-Business-Ausrichtung kommen Themen wie Gastronomie-Trends (da mache ich jedes Jahr einen großen Überblick), aber auch neue Produkte und neue Ideen für die Gastronomie gut an. Weil es fast alles nischige Themen sind, gibt es weder nach oben noch nach unten richtige Ausbrecher. Das – wie ich finde – sehr unterhaltsame und sehr reichweitenstarke Gespräch mit Tim Mälzer vor ein paar Jahren war einer nach oben, der ist durch die Decke gegangen. Ist halt eine bekannte Persönlichkeit. Weniger gut laufen meine ausgewählten Monats-Eventtipps für die Branche, im Verhältnis viel zu aufwendig. An denen halte ich aber fest, schon alleine deswegen, damit ich weiß, was los ist.

Delinale: Gruner und Jahr beabsichtigt im Herbst mit „B-EAT“ einen neuen Food-Titel herauszubringen. Laut Pressemitteilung dazu heißt es, das Blatt bringe Hintergrundgeschichten und Portraits über „Köche, Winzer, Bartender, Ökobauern, Foodaktivisten und Gastroposophen“ sowie Artikel über die „besten Restaurants in Deutschland und der Welt“, „kulinarische Reiseziele“ und aktuelle Foodtrends. Im angelsächsischen Medien-Jargon werden solche Postillen gerne auch „Good News Publications“ genannt. Welche Marktchancen räumst du diesem redaktionellen Rundumschlag ein?
Wulf: Erstmal bewerte ich es positiv, dass Essen und Trinken inklusive des Nachdenkens über Esskultur einen Aufwind erlebt hat in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren. Es ist nur logisch, dass die großen Verlage nun nachziehen und auch sehen, dass die bisherigen Medien à la Feinschmecker oder Essen und Trinken mit ihren Lesern in Würde gealtert sind – wobei sie immer noch Qualitätsmedien sind, keine Frage. „Food ist das neue Pop“ oder „Futtern ist das neue Feiern“ sind Sätze, die man immer wieder hört. Essen ist Popkultur geworden, eine neue Generation interessiert sich sehr dafür, hinterfragt, will alles wissen. Darum ist es nicht verwunderlich, dass es dafür auch ein Pendant zum Rolling Stone oder zum Musikexpress geben soll. Allerdings: Essen ist auch ein ernstes Thema. Es geht um bewusste Ernährung, um verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen und auch um Sexismus und Rassismus in der Gastronomie – und ich bin mir nicht sicher, ob ein Heft wie B-EAT hier etwas Sinnvolles beizutragen hat.

Delinale: Alles andere als kleinlaut befindet Jan Spielhagen, Chefredakteur von B-EAT, Restaurants seien „die neuen Kathedralen und die Köche die neuen Superstars. Dafür haben wir jetzt mit unserer geballten Food-Kompetenz ein Magazin voll Enthusiasmus und echten Typen entwickelt. B-EAT wird das neue kulinarische und gastronomische Leitmedium im deutschsprachigen Raum sein“. Mal abgesehen von der Marketing-Folklore in diesem Statement, wie glaubhaft klingt der Anspruch „Leitmedium“ im Zeitalter von TripAdvisor und „Chef’s Table“ auf Netflix deiner Meinung nach?
Wulf: Jan Spielhagen ist ja schon Chefredakteur der BEEF, dem auf „Männer“ zugeschnittenen Fleischmagazin. Böse Blicke, blitzende Messer, rotes Fleisch, Testosteron. Die Marke BEEF wird jetzt selbst zur Gastronomie und will Fleischrestaurants in verschiedenen deutschen Städten eröffnen. Zum Opening des Pioniers in Frankfurt im Juni waren ausschließlich Männer geladen. Frauen mussten bitte draußen bleiben. Ganz offiziell, im Jahr 2018. Ich glaube, das reicht, um die Frage zu beantworten. Wer so bewusst auf Polarisierung setzt, der wird nur schwer vernünftig einordnen können. Und genau das braucht es.

Delinale: Haben etablierte Magazine wie Effilee oder Port Culinaire angesichts des Launchs von B-EAT etwa Anlass zur Sorge?
Wulf: Das ist jetzt ja schon die dritte Frage zu einem Heft, das noch gar nicht erschienen ist. Vorschlag: Wir warten ab und schauen mal, ob da wirklich was rauscht im Blätterwald oder ob der springende Tiger als Bettvorleger landet.

Delinale: Welche Medienformate genießen aktuell deine Wertschätzung?
Wulf: Es gibt zwei Podcasts, die ich regelmäßig höre: „Gastro Rockstar“ quetscht Gründer und Branchenexperten aus. „Food On Point“ macht genau das, was ich oben erwähnt habe: Das Thema Essen und Esskultur reflektieren. Da geht es um Nachhaltigkeit, um die Zukunft des Berufs Koch/Gastronom und um vieles mehr.

Delinale: „Storytelling“ gilt mittlerweile als ein Inbegriff für alles und nichts in der Gastronomie oder Lebensmittelbranche. Bist du der Selbstinszenierung schon überdrüssig, wenn du derselben begegnest?
Wulf: Ich finde persönlich, dass man hier unterscheiden muss: Lebensmittel oder auch Genussmittel wie Wein, Bier oder Spirituosen müssen mir keine Geschichte im Sinne einer Story erzählen, das ist manchmal geradezu albern. Sie müssen mir ihre Entstehung, Herstellung, Qualität plausibel machen. In der Gastronomie finde ich es durchaus nett, konzeptuell verführt bzw. an der Nase herum geführt zu werden. Das ist der kleine Eskapismus. Erst am Wochenende war ich in einem Westernrestaurant am Langen See in Berlin. Das erzählt eine Story mit jedem Detail, ziemlich schräg und lustig, aber auch mit viel Liebe gestaltet. Leider ist das Essen miserabel: Fertig-Weizenbuns, zwei Scheiben Dosenananas, Billigkäse, ein trauriges Schnitzel – das nennt man dann „Hawaiiburger“. Der wäre als Teil der Fake-US-Story mit guten Produkten aber durchaus vorstellbar – und dann wären Authentizität und Storytelling sogar in einer Speise vereint.

Delinale: Die Konzeptgastronomie floriert. Oftmals handelt es sich dabei um Systemgastronomie, die anstelle einer individuell ambitionierten Küchen- und Service-Leistung eher durch konsequentes Management in Bezug auf Effizienz und Rentabilität beeindruckt. In England zeigt dieser Trend bereits Abnutzungserscheinungen, selbst Jamie Oliver musste seine Ladenkette aus Gründen der Wirtschaftlichkeit konsolidieren. Wie ist es hierzulande um diese Entwicklung bestellt?
Wulf: Zukünftig punktet, ja überlebt, wer eine individuell ambitionierte Küchen- und Serviceleistung mit effektivem Management zusammenbringt. Egal ob System oder Individualist. Das ist freilich eine Mammutaufgabe. Ich empfehle dazu das Portrait über den Berliner Gastronomen Max Paarlberg, das ich 2017 auf meinem Blog veröffentlicht habe.

Delinale: Foodies und Gourmets können unterschiedlicher nicht sein. Standesgemäße Gourmets speisen im Sternelokal, Foodies sind genügsamer und kommen bereits bei Street Food-Events auf ihre Kosten. Eigentlich wäre die gehobene Gastronomie die kulinarische Mitte, die für beide Zielgruppen gleichermaßen interessant ist. Kennst du bereits Beispiele, wo dies der Fall ist und wenn ja, wo und warum?
Wulf: Also, die Foodies, die ich kenne, sind alles andere als genügsam. Die kaufen sich Jahrgangssardinenkonserven für über zehn Euro, Naturwein für einen Zwanni die Pulle oder hauen auch mal 200 Euro für zwölf Gänge mit Weinbegleitung raus. Allerdings dann eher in neuen Gourmet-Restaurants wie „Ernst“ oder „Nobelhart und Schmutzig“. Ohne Pinguinkellner, ohne weiße Tischdecke. Wobei ich gar nicht so abschätzig klingen will: Klassischer Service und ein vernünftig eingedeckter Tisch haben immer noch Stil und ich wittere da sogar eine gewisse Renaissance. Die von dir angesprochene kulinarische Mitte ist sicher etwas, das wir zukünftig mehr erleben werden, weil gutes Essen – regional, saisonal, kreativ – nicht mehr weggehen wird. Beispiele wären das neue Speiselokal „TISK“ in Neukölln oder das „Einsunternull“, das zwar einen Stern hat, aber m.E. echt faire Preise aufruft, besonders am Mittag. Kürzlich war ich in der „Seewirtschaft“ in Neuruppin. Das gehört zu einem Resorthotel und dort kommen alle Lebensmittel von Partnerbetrieben aus maximal 20 Kilometern Entfernung. Fisch, Fleisch, Gemüse – alles kommt zum Teilen in die Mitte und schmeckt gutbetuchten Hotelbesuchern ebenso wie den Radtouristen oder Anwohnern. So muss Gastronomie sein.

Delinale: Abschließend die Fragen nach deinem Stammlokal, Leibspeise und dem Next Big Thing?
Wulf: Ich muss zugeben: Ein Stammlokal habe ich nicht, aber eine lange to-eat-Liste. Leibspeise: selbstgemachte Lasagne, nie die vom Italiener. Und das nächste große Ding werden alkoholfreie Spirituosen. Vielleicht.

Alles weitere zum Nomyblog findet sich unter dem nachstehenden Link:

Titelbild – Jan-Peter Wulf – © – Foto Copyright – Julius Gnoth
Interview: Manfred Tari

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