Aldi, der Einzelhandels-Globalplayer mit Ruhrgebietsbezug bleibt sich selbst treu. Zumindest in Bezug auf den gelebten Sparzwang und dies trotz Umsätzen in Milliardenhöhe. Gänzlich frei von Sentimentalitäten schließt das Unternehmen nun das Stammhaus von Aldi, die mutmaßlich betriebliche Keimzelle des Lebensmittelhändlers im Essener Stadtteil Schonnebeck.
Laut einer Studie im Auftrag des Bundesverbands des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels beträgt die durchschnittliche Verkaufsfläche mittlerer Supermärkte und Discounter rund 1.200 qm. Damit kann das älteste Ladenlokal des Lebensmittelmultis offenbar nicht mithalten. Das, berichtet die WirtschaftsWoche unter Berufung auf einen Sprecher von Aldi Nord, „inzwischen viel zu kleine Geschäft in der Huestraße 89 werde am Samstag um 16 Uhr zugemacht“.
Immobilie mit Herkunftsnachweis
Eröffnet 1919 als Kolonialwaren- und Backwarenhandel, soll das Objekt mit der bisherigen firmeninternen Bezeichnung „Filiale Nummer 1“ übereinstimmenden Medienberichten zufolge künftig anderweitig genutzt werden. Es gäbe bereits potentielle Interessenten heißt es weiter. Anstelle aus der geschichtsträchtigen Filiale einen Aldi-Wallfahrtsort oder gar ein Museum zu machen, zieht die Firmenleitung demnach offenbar eher eine schnöde Vermietung in Betracht, .
Wohlmöglich ist diese Entscheidung aber ganz im Sinne der einstigen Firmenpatriachen, die, wie zahlreiche Berichte belegen, für ihre pathologische Sparsamkeit hinlänglich bekannt waren. Obwohl die verstorbenen Albrecht-Brüder Karl und Theo bereits zu Lebzeiten Spitzenplätze in der Upperclass der hiesigen Superreichen einnahmen, pflegten diese zeitlebens ein Dasein als „Krämerseelen“, wie ein Bericht in der Wochenzeitung Die Zeit nahelegt. Darin heißt es unter anderem, sie „sparen am Personal (die Filialen kommen mit so wenigen Mitarbeitern aus wie kein anderer Supermarkt), an Produktvielfalt (je weniger Marken im Regal, desto billiger der Einkauf).“
Was also im Hinblick auf eine weitere Nutzung der einstigen „Filiale Nummer 1“ durch Vermietung auf den ersten Blick geradezu lieblos wirkt, kann anderseits auch als zweckmäßiger Pragmatismus typisch altbewährter Management-Entscheidungen bei Aldi ausgelegt werden.
Wie und was auch immer künftig in der Huestraße 89 in Essen-Schonnebeck vonstatten gehen wird, steht daher beispielhaft für die Unternehmenskultur von Aldi. Naja, ein Annäherungsprozess zwischen „Kultur“ und „Aldi“ wäre ohnehin eine neue unternehmerische Herausforderung, bislang emotional ungewohnt, wenn, dann aber zweifelsohne einhergehend mit spannungsgeladenen Momenten der Güterabwägung zwischen Rentabilität und Sentimentalität…
Text: Manfred Tari – Bild: Delinale.de