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Warme Mahlzeiten für Obdachlose – Arbeitsagentur Oberhausen wittert Missbrauch

Abgebrüht: Es ist nicht nur grenzwertig, sondern grenzt schon an Niedertracht. Die Arbeitsagentur Oberhausen hat drei ortsansässige gastronomische Betriebe angeschrieben, die gegenwärtig warme Mahlzeiten für Obdachlose anbieten und verdächtigt diese des Missbrauchs von Kurzarbeitergeld.

Gegenstand des Schreibens der Arbeitsagentur Oberhausen ist die zentrale Frage, ob die Mitarbeiter dieser Lokale, welche sich derzeit in Kurzarbeit befinden, bei der Zubereitung der Speisen mithelfen und demnach missbräuchlich Kurzarbeitergeld beziehen. Bei den Unternehmen handelt es sich um die Lokale Balcanico und Luikov sowie um das Lebensmittelgeschäft Valdani. Der Verein „Solidarität in Oberhausen“, welcher bislang mit den genannten Betrieben die Hilfsaktion realisierte, äußert via Facebook sein Entsetzen über die Vorgehensweise der Arbeitsagentur. In einem aktuellen Posting informiert die Initiative zudem, dass ein Gastronom, der „uns in Oberhausen unterstützen wollte, abgesprungen ist, beziehungsweise durch das Vorgehen des Arbeitsamts abgeschreckt wurde für uns zu kochen.“

Inzwischen berichten Sat1nrw.de, die Sendung „Lokalzeit“ des WDR sowie regionale Medien wie die WAZ oder der Express über den Vorfall. Bislang hat die Filiale der Arbeitsagentur in Oberhausen immerhin schriftlich auf Anfragen der genannten Medien reagiert und dies, diplomatisch formuliert, ausgesprochen ‚unweihnachtlich‘. Zwar äußerte eine Sprecherin der Agentur gegenüber der WAZ ein ehrenamtliches Engagement von Arbeitnehmern sei immer möglich. Zu beachten sei allerdings: „dass diese Tätigkeiten einen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber generieren können, wenn diese in den Räumen des Beschäftigungsbetriebes und während der Kurzarbeit durchgeführt wird.“ Schlimmer geht es immer und so äußert die Pressesprecherin darüber hinaus, die pikanterweise in der WAZ sogar mit Klarnamen genannt wird, dass dies sogar eine Kürzung des Kurzarbeitergeldes nach sich ziehen könnte.

Dem scheint offenbar auch so zu sein. Hierzu berichtet der Verein auf Facebook: „Was uns unendlich traurig macht: Einige Gastronomen haben nun immer noch kein Kurzarbeitergeld bekommen, die Novemberhilfe steht ebenso aus und sie müssen nun selbst Rechnungen schieben.“ Dies bestätigt auch Danilo Atzeni, Mitinhaber von Valdani, in einem TV-Beitrag gegenüber Sat1nrw.de.

Nicht bekannt hingegen ist, ob der oder die zuständige Sachbearbeiter:in sowie die Führungskräfte der Arbeitsagentur Oberhausen gemeinsam mit der Pressesprecherin derzeit noch ihr Weihnachtsgeld gemäß ihres Tarifvertrags nachzählen und ergänzend für ihr rigides Vorgehen zudem auf ein weihnachtliches Fleißkärtchen seitens der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hoffen. Zuzutrauen wäre es ihnen, denn wenn in Zeiten der Corona-Krise derartiges Verhalten in dieser institutionellen Einrichtung folgenlos bleibt, spricht vieles dafür, dass der Führungsstil sowie das Qualitätsmanagement in dieser Behörde, zumindest in der besagten Oberhausener Filiale, grundlegend zu hinterfragen ist.

Wenn schon die Mitarbeiter der Arbeitsagentur in Oberhausen Medienberichten zufolge weder Aufwand noch Mühen scheuen, um die Rechtmäßigkeit eines freiwilligen und wohltätigen Engagements zugunsten der Verköstigung von Obdachlosen in Zweifel zu ziehen, dann bedarf es mehr als nur einer sachlich neutralen Berichterstattung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Behörde offenbar Leistungen für die Mitarbeiter der angeführten Unternehmen zurückhalten. Was das betrifft, könnte es sich dabei auch ganz normal um den herkömmlichen Lauf der Dinge in der Arbeitsagentur handeln.

Nicht aber nur die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Behörde ist bezeichnend. Der Vorfall steht stellvertretend für die Maßlosigkeit der Überinterpretation gesetzlicher Vorgaben. Steht zudem für Charaktereigenschaften, die jeglichen bürgerlichen Normen oder dem Verständnis davon widersprechen. Eine innerbehördliche Aufarbeitung ist ohnehin mehr als unwahrscheinlich.

Soziologisch bedauerlich, aber auch keine Überraschung. Die nachzulesenden Erklärungen der Pressesprecherin in den Medienberichten im Zusammenhang mit dieser Meldung sprechen für sich. Die Arbeitsweise in den Öffentlichkeitsabteilungen von Behörden, aber auch größeren Unternehmen, ist in solchen Fällen nahezu identisch. Die Vorlage von einem rechtskundigen Mitarbeiter vorgeschrieben, anschließend der zuständigen Führungskraft zur Freigabe vorlegt, nahm die Stellungnahme der Pressesprecherin samt Korrekturanmerkungen ihren Lauf durch die Instanzen.

Formell bis aufs Komma richtig, ist im Gegenzug nicht zu erwarten, dass den damit Beschäftigten anlässlich ihres Handelns zu keinem Zeitpunkt auch nur den Hauch eines Zweifels überkommt. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass sie von Gewissensbissen geplagt werden. Der forensische Psychiater Gerd Diedrichs bezeichnet derartiges Verhalten mit dem Begriff „Parasozial“. Obgleich moralisch oder ethisch fragwürdig, sind Akteure diesen Schlages bei der Umsetzung vergleichbarer Vorgänge nicht mehr in der Lage zu abstrahieren, dass ihr Verhalten hochgradig unsozial und unanständig ist.

Den Verantwortlichen und Entscheidungsträgern in der Arbeitsagentur Oberhausen sei an dieser Stelle daher schon einmal schöne Weihnachten gewünscht. Den Obdachlosen, dem Verein „Solidarität in Oberhausen“ sowie den beteiligten Gastronomen bleibt indes nur zu wünschen, dass der Weihnachtsmann irgendwo innerhalb der Behörde interveniert, um den behördlich formellen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Was für eine merkwürdige Weihnachtsgeschichte…

 

 

 

Text: Manfred Tari – Bild: Delinale.de

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